Preisdifferenzierung und Preisdiskriminierung

Wenn Du ein betriebswirtschaftliches Fach belegst oder Dich für Marketing und Mikroökonomie interessierst, dann hast Du bestimmt schon einmal von der Preisdifferenzierung gehört. Was genau sich hinter diesem Begriff verbirgt und in welchen verschiedenen Formen sie auftaucht, hat Adina Rehkopf (verlinkt zu LinkedIn) von der htw saar für Dich untersucht und hier einmal zusammengestellt:

Möchtest Du erst einmal erfahren, wie Preise überhaupt gebildet werden, kannst Du das in unserem Kapitel zur Preisbildung nachlesen.

Erklärung der Preisdifferenzierung

Stell Dir vor, Du sitzt im Flieger nach England, um Urlaub zu machen. Neben Dir sitzen ein Geschäftsmann und ein Fußballfan und hinter Dir sitzt ein Student, der anscheinend zum Studieren verreist. Jeder von ihnen (Dich miteingeschlossen) hat mit hoher Wahrscheinlichkeit einen anderen Preis für genau diesen Flug bezahlt – und das, obwohl es derselbe Flug zur selben Zeit in derselben Buchungsklasse ist.  Immer dann, wenn ein Unternehmen ein- und dasselbe Produkt zu unterschiedlich hohen Preisen anbietet und verkauft, spricht man von Preisdifferenzierung oder auch Preisdiskriminierung. Ersteren Begriff verwendet man hierbei eher im Marketing, zweiteren in der Mikroökonomie; sie beschreiben aber dasselbe Phänomen.

Jetzt denkst Du Dir vielleicht: Klar, bei Flügen ist das doch keine Seltenheit, dass es zu unterschiedlichen Preisen kommt! Schließlich hängt der Ticketpreis stark davon ab, wann man das Ticket erwirbt und auch Faktoren wie die Bezahlmethode, der Zeitpunkt des Rückflugs oder ob Du den Flug zusammen mit einem Hotel oder Ähnlichem gebucht hast, spielen eine große Rolle. Das ist wahr, jedoch kann es trotzdem sein, dass der Fußballfan und der Geschäftsmann zwei ganz unterschiedliche Preise bezahlt haben, selbst wenn die genannten Faktoren identisch waren. Der Grund hierzu liegt in den unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften der beiden Kunden, die sich die Fluggemeinschaft durch Preisdifferenzierung zunutze gemacht hat. Wie ein Unternehmen daraus profitieren kann, wirst Du im folgenden Text erfahren.

Voraussetzungen für Preisdifferenzierung

Um Preisdifferenzierung anwenden zu können, gibt es einige Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Unternehmen Erfolg damit hat:

  • Das Unternehmen muss ein gewisses Maß an Marktmacht besitzen, denn der Marktpreis muss durch das Unternehmen beeinflussbar sein.
  • Kunden müssen unterschiedliche Zahlungsbereitschaft besitzen.
  • Kunden müssen gezielt adressiert werden können oder ihre Zahlungsbereitschaft offen zeigen (durch Selbstselektion: Sie nehmen also freiwillig an Befragungen über ihr Kaufverhalten teil).
  • Es muss eine Verhältnismäßigkeit der Kosten herrschen, die für die Umsetzung der Preisdifferenzierung entstehen.

Bei einer Fluggesellschaft sind diese Voraussetzungen gegeben: Die Kunden zeigen deutlich unterschiedliche Zahlungsbereitschaften, Arbitrage ist unmöglich aufgrund der Individualisierung eines Tickets und viele Fluggesellschaften besitzen für bestimmte Strecken zu bestimmten Uhrzeiten Marktmacht.

Formen der Preisdifferenzierung

Die Preisdifferenzierung kann auf ganz verschiedene Arten vorkommen. Wir unterscheiden im Folgenden zwischen sechs Formen:

  1. Räumliche Preisdifferenzierung:

Hier gibt es unterschiedliche Preise aufgrund des Ortes, an dem das Produkt oder die Dienstleistung angeboten wird, z. B. Inland vs. Ausland, aber auch spezielle Orte innerhalb desselben Marktes. Eine räumliche Preisdifferenzierung entsteht vor allem dort, wo Du als Kunde keine andere Wahl hast, als das angebotene Produkt zu erwerben, weil Du es benötigst und weil keine Konkurrenz vorhanden ist. Ein Beispiel wäre hierfür der Spritpreis von Tankstellen an Autobahnen oder auch das Gastronomieangebot an Flughäfen.

  • Zeitliche Preisdifferenzierung:

Hier unterscheiden sich die Preise nach der zeitlichen Nachfrage. Beispiele hierfür sind:

  • höhere Hotelpreise während der Hauptsaison vs. niedrigere Preise in der Nebensaison
  • höhere Spritpreise zu den Hauptverkehrszeiten
  • Sommer- und Winterschlussverkauf
  • sinkende Preise für ältere Modelle, sobald ein neues auf dem Markt kommt
  • Personelle Preisdifferenzierung:

Bei dieser Form der Preisdifferenzierung werden verschiedene Preise für verschiedene Personengruppen angeboten. Das geschieht nach unterschiedlichen Kriterien:

  • nach dem Einkommen: Studenten z. B. zahlen oft weniger
  • nach dem Alter: Senioren- oder Kinderrabatte
  • nach dem Geschlecht: unterschiedliche Preise für Haarschnitte
  • nach der Exklusivität: Vergünstigungen für Menschen, die eine Kundenkarte besitzen
  • Quantitative Preisdifferenzierung:

Hier kommt es auf die Menge der gekauften Produkte an. Es werden häufig Mengenrabatte genutzt, bei denen Du als Käufer bei einem großen Einkauf weniger pro Stück zahlen musst oder Angebote wie „Nimm 3, zahl 2!“ wahrnehmen kannst.

  • Qualitative Preisdifferenzierung:

Hier bezahlst Du unterschiedliche Preise für vermeintlich unterschiedliche Produkte, die aber in der Herstellung gleichviel oder ähnlich viel kosten. Nichtsdestoweniger bekommst Du hier meist für mehr Geld auch mehr angeboten, jedoch ist der höhere Preis im Verhältnis trotzdem nicht gerechtfertigt. Beispiele sind:

  • Hardcover vs. Softcover bei einem Buch
  • höherer Preis für mehr Speicherplatz bei einem Smartphone, Tablet o. Ä.
  • Preis pro Liter Bier bei einem Kasten Stubbis (teurer) vs. einem Kasten Langhälse (günstiger)
  • Sachliche Preisdifferenzierung:

Hier werden je nach Verwendungszweck der Güter unterschiedliche Preise gesetzt:

  • unterschiedliche Strom- und Internettarife für Privat- und Gewerbekunden
  • Für Alkohol zu Reinigungszwecken zahlst Du weniger als für Alkohol zu Genusszwecken.

Ausprägungen der Preisdiskriminierung

Jetzt, wo wir uns die verschiedenen Formen und Segmente der Preisdifferenzierung angeschaut haben, zeigen wir Dir nun die unterschiedlichen Ausprägungen, die sie haben kann. Die Betrachtungsweise, die wir bis eben genutzt haben, war marketingorientiert. Jetzt wagen wir uns in die Mikroökonomie, weshalb wir in diesem Kapitel von der Preisdiskriminierung sprechen werden. Hier unterscheiden wir zwischen drei grundlegenden Preisstrategien, welche in Preis- und Geschäftsmodellen auch kombiniert werden können.

1)      Direkte Preisdiskriminierung

Bei der direkten Preisdiskriminierung zahlen unterschiedliche Kunden oder Kundengruppen unterschiedliche Preise. Sie kann zwei Formen annehmen:

  • Perfekte Preisdiskriminierung:

Sie wird auch als Preisdiskriminierung ersten Grades bezeichnet und beschreibt, dass jedem einzelnen Kunden exakt ein Preis entsprechend seiner persönlichen Zahlungsbereitschaft gesetzt wird. Die Voraussetzung hierfür ist, dass man die individuelle Zahlungsbereitschaft des Kunden kennt oder ermitteln kann.

  • Marktsegmentierung:

Diese nennt man auch die Preisdiskriminierung dritten Grades. Hier wird nicht jedem einzelnen Kunden ein anderer Preis gesetzt, sondern einzelnen Kundengruppen, also Segmenten, da diese einfacher zu trennen und zu ermitteln sind. Hierzu gehören demnach die räumliche, die zeitliche und die personelle Preisdifferenzierung, welche auch kombiniert auftauchen können. Durch Marktsegmentierung kommt es zu Gruppenpreisbildung: Das bedeutet, dass Kundengruppen, deren unterschiedliche Zahlungsbereitschaft einfach zu ermitteln ist, unterschiedliche Preise gestellt werden. So ist das meist im öffentlichen Personenverkehr, in Schwimmbädern, im Kino oder in Museen der Fall. Diese reduzierten Eintrittspreise sind kein Entgegenkommen, sondern die Unternehmen setzen für jede Kundengruppe entsprechend derer Zahlungsbereitschaft andere Preise, um so ihren Gewinn steigern zu können.

2)      Zweiteilige Tarife und indirekte Preisdiskriminierung

Hier bieten die Unternehmen ein Produkt in verschiedenen Ausführungen an. Du als Kunde kannst selbst entscheiden, welche Ausführung Du erwerben möchtest. Es kommt also zu Selbstselektion durch den Kunden. Diese Art wird auch Preisdiskriminierung zweiten Grades genannt.

Man spricht in diesem Fall von indirekter Preisdiskriminierung, weil Du selbst die Wahl hast. Das wird immer dann gemacht, wenn es dem Unternehmen nicht möglich ist, Deine Zahlungsbereitschaft zu erkennen oder Arbitrage nicht verhindert werden kann. Dadurch kann das Unternehmen Kosten für die Marktforschung einsparen. Beispiele hierfür sind Paketpreise und Blockpreise. Hier wird also die quantitative Preisdifferenzierung angewandt. Was ebenfalls dazugehört, sind zweiteilige Tarife (Du zahlst also eine Pauschalgebühr und eine Gebühr pro Einheit) und Flatrates. Auch die qualitative Preisdifferenzierung wird hier genutzt, zum Beispiel über Freemium-Modelle und Damaged Products, bei denen Du selbst entscheiden kannst, ob Dir die Basisfunktionen reichen oder ob Du das Produkt ohne Einschränkungen für einen höheren Preis nutzen möchtest.

3)      Bundling

Unterschiedliche Produkte, die auch einzeln zu erwerben sind, werden in Paketen oder in Bündeln angeboten. Das ist immer dann sinnvoll, wenn Du zwar bereit wärst, etwas als Nebenprodukt zum Hauptprodukt zu erwerben, es Dir aber zu teuer ist/ schlichtweg zu wenig Nutzen bringt, das Produkt einzeln zu kaufen. Bundling ist ebenfalls indirekte Preisdiskriminierung. Der Unterschied zu Paketpreisen oder Blockpreisen ist hier, dass keine gleichen Produkte in unterschiedlichen Größen, sondern unterschiedliche Produkte angeboten werden. Damit zählt Bundling ebenfalls zur qualitativen und quantitativen Preisdifferenzierung. Beispiele sind:

  • Menüs bei Fastfood-Ketten
  • Microsoft-Office-Paket oder Office 365
  • Service-Dienstleistungen, z.B. Autofinanzierung mit Garantie
  • Reisen (Hotel, Flug, Gepäckmitnahme, Versicherung, Mietwagen)

Weil das jetzt wirklich viele neue Wörter und Beschreibungen waren, die zum Teil auch dasselbe bedeuten und Du je nach Quelle unterschiedliche Aufteilungen und Bezeichnungen findest, haben wir Dir das Ganze zusammenfassend noch einmal in einer Tabelle mit zusätzlichen Beispielen veranschaulicht, damit Du schnell die Unterschiede und Zugehörigkeiten erkennen kannst, ehe wir uns im letzten Kapitel mit der grafischen Unterteilung, Ermittlung und Errechnung der Preisdifferenzierung auseinandersetzen.

Preisdifferenzierung und Preisdiskriminierung im Überblick

Horizontale und vertikale Preisdifferenzierung

Es wird unterschieden zwischen horizontaler und vertikaler Preisdifferenzierung. Bei der horizontalen Preisdifferenzierung wird der Gesamtmarkt in mehrere in sich gleiche Käuferschichten unterteilt. Die Käufer jeder Schicht sind bereit, einen höheren/ niedrigeren Preis zu zahlen als die Käufer der anderen Schichten. Das Unternehmen kann so den Preis gemäß der individuellen Zahlungsbereitschaft einer jeden Gruppe festlegen und dadurch seinen Gewinn maximieren. Gäbe es nur einen festen Preis, dann würden manche Gruppen überhaupt nichts kaufen, da es ihnen zu teuer wäre und andere Gruppen würden das Produkt zwar kaufen, wären aber auch bereit, noch mehr dafür zu zahlen. Beides würde zu entgangenem Gewinn für das Unternehmen führen. In der folgenden Abbildung siehst Du eine horizontale Preisdifferenzierung mit drei Käufergruppen.

Horizontale Preisdifferenzierung

Beispiel zur vertikalen Preisdifferenzierung

Nehmen wir an, die Herstellkosten betragen 2,50 € pro Stück:

Ohne Preisdifferenzierung könntest du 1.000 Stück für jeweils 3 € pro Stück verkaufen. Du hättest also einen Erlös von 3.000 € und einen Gewinn von 3.000 Euro – 2.500 Euro = 500 Euro erzielt.

Wie würde das Ganze mit Preisdifferenzierung aussehen? Versuch gerne, das mal selbst auszurechnen! Die Lösung findest Du aber auch gleich hier:

Mit Preisdifferenzierung sieht das Ganze anders aus:

  • Bei den Käufern der Schicht C erzielst Du einen Erlös von 250 Stück mal 3 Euro je Stück, also 750 Euro, und einen Gewinn von 750 Euro – (2,50 Euro pro Stück mal 250 Stück) = 125 Euro.
  • Bei den Käufern der Schicht B erzielst Du einen Erlös von 250 Stück mal 4 Euro je Stück, also 1000 Euro und damit einen Gewinn von 1.000 Euro – (2,50 Euro pro Stück mal 250 Stück) = 375 Euro.

Damit ergibt sich bei gleich großer Absatzmenge ein Gesamtgewinn von 1.750 Euro im Vergleich zu einem Gewinn von 500 Euro ohne Preisdifferenzierung – das lohnt sich also!

Zerlegung in Teilmärkte

Bei der vertikalen Preisdifferenzierung wird der Gesamtmarkt in einzelne Teilmärkte zerlegt, die voneinander isoliert sind. Auf jedem dieser Teilmärkte befinden sich Käufer mehrerer Preisschichten, und es werden unterschiedliche Preise festgelegt. Das ist zum Beispiel bei der räumlichen Preisdifferenzierung möglich.

Quellen zur Preisdifferenzierung

  • Münter, M. T.: Mikroökonomie, Wettbewerb und strategisches Verhalten (2. Aufl.), UKV Verlag, München, 2021.
  • Thommen, J.-P.; Achleitner, A.-K. u.a.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre – Umfassende Einführung aus managementorientierter Sicht (9. Aufl.), Springer Gabler, Wiesbaden, 2020.