Europäische Integration

Die europäische Integration ist aus der Neuzeit Europas nicht mehr wegzudenken.

Die Europäische Integration – eine wirtschaftliche Betrachtung

Woran denkst Du, wenn Du an Europa denkst?  Bestimmt kommt Dir als erstes der Kontinent Europa mit all seinen Ländern in den Sinn. Das ist auch vollkommen richtig! Doch wenn Du genauer nachdenkst, woran denkst Du noch? An Gemeinschaft und Miteinander, an schnelles und unkompliziertes Reisen, an einfache Bestellvorgänge? Das Europa, so wie Du es kennst, gibt es nicht schon immer auf diese Weise. Bis alles so wurde, wie es heute ist, ist in Europa eine Menge passiert – und das sowohl politisch als auch kulturell, gesellschaftlich und wirtschaftlich. Die wichtigsten Etappen der Europäischen Integration im wirtschaftlichen Bereich werden wir Dir in diesem Artikel, zusammengestellt von Adina Rehkopf von der htw saar, näherbringen!

Europäische Integration – was bedeutet das?

„Europäische Integration“ ist ein feststehender Begriff, der für einen „immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker“ steht. Diese Definition wurde bereits in den Gründungsverträgen der Westeuropäischen Union (WEU) und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) verwendet (dazu später mehr!). Das war in den 1950er-Jahren. Und seitdem wird stetig an einer immer enger werdenden Zusammenarbeit in Europa gearbeitet. Durch die Integration wurden und werden Märkte geschaffen, welche über die nationalstaatlichen Grenzen hinausgehen. Außerdem hatte man damit von Anfang an das Interesse an einer dauerhaften Friedenssicherung im Auge. Allerdings begann die Europäische Integration zunächst nur mit der wirtschaftlichen Zusammenarbeit von sechs europäischen Staaten. Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande haben so die drei Europäischen Gemeinschaften  geschaffen:

  • 1952: Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), auch Montanunion genannt
  • 1957: Die Europäische Atomgemeinschaft (EAG, heuteEuratom)
  • 1957: Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG, heuteEG = Europäische Gemeinschaft)

Die wichtigsten Punkte zur Entstehung und Bedeutung dieser und weiterer bedeutsamer Etappen haben wir dir im Folgenden zusammengestellt.

Die drei Europäischen Gemeinschaften

Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS/ Montanunion)

Am 09. Mai 1950 schlug der damalige französische Außenminister Robert Schuman  dem deutschen Kanzler Konrad Adenauer vor, die französisch-deutsche Kohle- und Stahlproduktion ( = die  Montanindustrie) in einer Organisation unter internationaler, gemeinsamer Kontrolle zusammenzulegen. Dabei sollten die Mitgliedstaaten zollfrei miteinander interagieren können. Adenauer war sofort einverstanden. Dieser Vorschlag Schumans ist auch als Schuman-Plan oder Schuman-Erklärung bekannt. Zwar bezog er sich erstmal nur auf die französisch-deutsche Industrie. Jedoch stand der Beitritt allen europäischen Ländern offen. Und so wurde die Organisation am 18. April 1951 durch den Vertrag von Paris gegründet. Letztlich trat sie am 23. Juli 1952 mit den sechs Mitgliedstaaten Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden in Kraft.

Das Hauptziel des Vertrags war laut Schuman die Sicherung des innereuropäischen Friedens durch die gegenseitige Kontrolle von Kohle und Stahl, da beides wichtige Kriegsgüter sind. Außerdem sollte sichergestellt sein, dass man immer und überall genug Kohle und Stahl für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg zur Verfügung hat. Weitere Ziele waren:

  • die Ausweitung der Wirtschaft
  • die Steigerung der Beschäftigung
  • die Verbesserung der Lebenshaltung

Dabei galt es zeitgleich, die Entwicklung des zwischenstaatlichen Austausches und der Modernisierung voranzutreiben. Der Vertrag war auf 50 Jahre begrenzt und lief am 23. Juli 2002 aus.

Die Europäische Atomgemeinschaft (EAG, Euratom)

Die EAG wurde am 25. März 1957 durch dieselben sechs Gründerstaaten aufgebaut, die auch Teil der EGKS waren. Bis heute besteht die Euratom fast unverändert. Ihr Ziel ist die schnelle Entwicklung, Koordinierung, Überwachung und gemeinsame Kontrolle der europäischen Kernindustrie.

Damals sollte vor allem der stark wachsende Energiebedarf durch die friedliche Nutzung der Kernenergie gedeckt werden; außerdem wollte man die Abhängigkeit vom Öl verringern. Auch sollte hierdurch die Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten gehoben werden und zur Entwicklung der Beziehungen mit den anderen Ländern beigetragen werden. Heute gehören der EAG alle EU-Mitgliedsstaaten sowie die Schweiz und das Vereinigte Königreich an.

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)

Zusammen mit der EAG wurde die EWG am 25. März 1957 gegründet. Diese beiden Verträge zusammen nennt man die Römischen Verträge, in Deutschland auch Vertrag von Rom genannt. Die Römischen Verträge wurden 2007 von den Eurostaaten sogar mit einer 2 Euro Sonderausgabe gewürdigt. Die EWG war die wichtigste der drei Europäischen Gemeinschaften. Ihre Ziele waren:

  • die Ausweitung der Wirtschaft
  • die Steigerung der Beschäftigung
  • die Verbesserung der Lebenshaltung

Insgesamt wollte man durch eine gemeinsame Wirtschaftspolitik die europäische Integration und die Ausweitung der Wirtschaft vorantreiben. Das sollte der Vertrag anhand drei großer Schritte regeln:

Schritt 1 der EWG: Die Errichtung eines gemeinsamen Marktes

Durch den Vertrag wurde ein einheitlicher Wirtschaftsraum mit freiem Wettbewerb zwischen den Unternehmen eingeführt. Dadurch wurden Grundlagen für eine Annäherung der Vermarktungsbedingungen von Waren und Dienstleistungen geschaffen. Nach Artikel 8 des Vertrags sollte die Verwirklichung eines solchen Marktes innerhalb von drei Stufen geschaffen werden, die jeweils vier Jahre dauern sollten, insgesamt also zwölf Jahre. Der neu errichtete Markt beruhte auf dem Grundsatz des freien Wettbewerbs. Dieser untersagt die Absprache zwischen Unternehmen und die staatliche Beihilfe, da diese den Handel beeinträchtigen kann und versuchen kann, den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen.

Schritt 2 der EWG: Die Errichtung einer Zollunion

Durch den EWG-Vertrag wurden sowohl die Zölle als auch die Einfuhrkontingente im Handel zwischen den Mitgliedstaaten abgeschafft; es gab also keine mengenmäßigen Beschränkungen mehr. Es wurde ein gemeinsamer Zolltarif festgelegt, der für Waren aus Drittstaaten galt. Dadurch konnte der innergemeinschaftliche Handel und der Handel mit Drittstaaten bedeutend vorangetrieben werden.

Schritt 3 der EWG: Die Entwicklung gemeinsamer Politiken

Wo einige der Politiken im Vertrag ausdrücklich erwähnt wurden, wurden andere gemäß der im Vertrag vorliegenden Artikel entwickelt. So gab es Politiken in den folgenden Bereichen:

  • gemeinsame Agrarpolitik
  • gemeinsame Handelspolitik
  • Verkehrspolitik
  • Umweltpolitik
  • Regional-, Sozial- und Industriepolitik

Mit diesen Politiken ging auch die Schaffung des Europäischen Sozialfonds (ESF) einher. Sein Ziel ist es, die Beschäftigungsmöglichkeiten der Arbeitskräfte im Binnenmarkt zu verbessern und damit zur Verbesserung der Lebenshaltung beizutragen. Außerdem wurde einer Europäische Investitionsbank errichtet, um die wirtschaftliche Ausweitung der Gemeinschaft zu erleichtern.

Was kam danach?

Am 1. Juli 1967 fusionierten die Organe der drei Europäischen Gemeinschaften zu einer Europäischen Gemeinschaft (EG). Dazu musste man den EG-Vertrag häufig ändern. Letztlich hat man 2009 die EG dann mit dem Vertrag von Lissabon aufgelöst. An ihre Stelle trat die Europäische Union (EU), die mittlerweile 27 Mitgliedstaaten umfasst.

Der Vertrag der EAG wurde nie groß geändert und ist nach wie vor in Kraft. Er hat nicht mit der EU fusioniert, beide haben aber gemeinsame Organe.

Der Europäische Wechselkursverbund (EWKV)

Der Europäische Wechselkursverbund (EWKV), auch Europäischer Währungsverbund genannt, war ein von 1971 bis 1978 bestehender Verbund zwischen den Währungen einiger EG-Mitgliedstaaten. Er schuf zwischen diesen Währungen ein System fester Wechselkurse mit engen Bandbreiten, damit es innerhalb der Mitgliedstaaten beim Wechsel der Währungen nicht zu großen Verlusten oder Gewinnen kommen konnte. Es gab ein Abkommen der Zentralbanken mit den EG-Mitgliedstaaten. In diesem verpflichteten sich die Banken dazu, dafür zu sorgen, dass die EG-Währungen um nicht mehr als 2,25% von ihren rechnerischen Leitkursen abweichen, da es in der Vergangenheit zu Kursschwankungen von bis zu 9% kommen konnte, was als Gefahr für den gemeinsamen Markt angesehen wurde. Außerdem sollte diese Bandbreitenverengung ein erster Schritt zur Errichtung einer eigenen Wirtschafts- und Währungsunion innerhalb der EG sein. Der EWKV wird auch als „Währungsschlange“ oder „Schlange im Tunnel“ bezeichnet, weil die Wechselkurse immer innerhalb der Marge von ± 2,25% „umherschlängelten“.

Anfang 1979 wurde der EWKV durch das Europäische Währungssystem (EWS) ersetzt, das wir uns im nächsten Abschnitt genauer anschauen werden.

Das Europäische Währungssystem (EWS)

Am 13. März 1979 wurde durch Beschluss des Europäischen Rates ein System mit festen Wechselkursen innerhalb der EG errichtet: Das Europäische Währungssystem (EWS) als Nachfolger des EWKV war geboren. Dem EWS gehörten die Zentralbanken aller EU-Mitgliedstaaten an. Die wesentlichen Ziele des EWS waren die Schaffung einer stabilen Währungszone in Europa und die Verringerung der Schwankungen zwischen den Wechselkursen. Es sollte ein einheitlicher europäischer Markt nach Vorbild der USA geschaffen werden.

Genau wie beim Europäischen Wechselkursverbund durften die Wechselkurse im EWS auch nur innerhalb einer Bandbreite von 2,25% nach oben oder unten schwanken. Im August 1993 wurde das auf ganze 15% angehoben. Näherte eine Währung sich dem Rand der Bandbreite, schritten die Notenbanken ein und kauften die schwache Währung und verkauften die starke, um den Kurs zu schützen. Das war der Wechselkurs- und Interventionsmechanismus des EWS.

Das EWS arbeitete mit einer eigenen Einheit: Die Europäische Währungseinheit ECU ( = European Currency Unit) war eine vom EWS „erfundene“ Währung, um einen Referenzwert zum Rechnen zu haben. Es wurden Anteile aller beteiligten Währungen der Mitgliedstaaten in einem bestimmten Verhältnis zusammengerechnet. Die ECU diente somit als Bezugsgröße im Wechselkursmechanismus, als Rechengröße bei Finanzoperationen und als Zahlungsmittel und Reserveinstrument der Zentralbanken untereinander. Mit der Einführung des Euro und der Errichtung der Europäischen Zentralbank wurde die ECU am 1. Januar 1999 im Verhältnis 1:1 durch den Euro ersetzt. Seither regelt das Europäische Währungssystem II (EWS II) die Währungsschwankungen der Staaten, die nicht den Euro als Währungseinheit haben. Die 2 Euro Münzen zum 10-jährigen Jubiläum der Euroeinführung würdigen diesen Schritt der Integration in besonderem Maße.

Der EG-Binnenmarkt

Bereits die Gründung der EWG sah die Errichtung eines gemeinsamen Marktes vor. Der Durchbruch zum Binnenmarkt geschah durch die Einheitliche Europäische Akte, die am 01. Juli 1987 in Kraft trat und in welcher sich die Mitgliedstaaten darauf einigten, die Warenkontrollen an den Binnengrenzen abzuschaffen und die vier Grundfreiheiten zu verwirklichen: Dem freien Verkehr von Waren (1), Personen (2), Dienstleistungen (3) und Kapital (4). Was im Genauen damit gemeint ist und was die vier Freiheiten ausmacht, veranschaulicht Dir die folgende Abbildung.

Die europäische Integration zeigt sich im europäischen Binnenmarkt

Ab dem 1. Juli 1990 galt die Vereinbarung zwischen den Mitgliedstaaten der EU, sich durch die Umsetzung bestimmter wirtschafts- und währungspolitischer Regelungen in einem dreistufigen Prozess enger aneinander zu binden. Diese Vereinbarung nennt man die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU). Das Hauptziel ist die Ergänzung des Europäischen Binnenmarktes durch eine gemeinsame Währung mit hoher Preisniveaustabilität. Diese Vereinbarung gilt noch heute und ist noch immer nicht abgeschlossen, da es auch viele Risiken mit sich bringt, alles vereinheitlichen zu wollen. So war eine wichtige Hoffnung bei der Einrichtung der EWWU ein erwarteter Wachstumsschub. Dieser war letztlich aber tatsächlich kaum nachweisbar und überlagerte sich mit anderen wirtschaftlichen Ereignissen, die das Ganze sehr dämmten.

Eine weitere Hoffnung war die höhere Preisniveaustabilität, doch die Inflationsrate änderte sich vor allem in Deutschland seit der Gründung der EWWU kaum.

Zu guter Letzt sollte die EWWU als Zeichen für die Bildung einer politischen Union in Europa dienen, doch auch das hatte wenig Erfolg.

Der Weg zur europäischen Integration

Du siehst:  Bis das wirtschaftliche Europa so wurde, wie Du es heute kennst, war es ein langer Weg. Dieser ist bis heute nicht vollständig abgeschlossen und er wird es auch nie sein. Denn es sind immer Änderungen und Verbesserungen notwendig – und das ist auch gut so! Wer will denn schon immer auf der Stelle stehen und sich nicht weiterentwickeln? In der nachfolgenden Abbildung kannst Du Dir noch einmal die wichtigsten Etappen der Europäischen Integration von damals bis heute anschauen. So gewinnst Du ein Gefühl dafür, was wann und wie lange Bestand hatte oder noch immer besteht.

Etappen der europäischen Integration

Wenn Du Dein Wissen testen möchtest, kannst Du gerne über diesen Link an einem Quiz zur europäischen Integration teilnehmen.

Quellen zur europäischen Integration