Multiplikatoren der offenen Volkswirtschaft

Multiplikatoren spielen in der Analyse einer offenen Volkswirtschaft eine entscheidende Rolle. Unter https://wl-wirtschaftslehre.de/multiplikatoren-des-gleichgewichts-auf-dem-guetermarkt/ findest du die Multiplikator-Theorie einer geschlossenen Volkswirtschaft.

Multiplikatoranalyse

Die Multiplikatoranalyse wurde im Jahr 1943 von Fritz Machlup erstmals um die offene Volkswirtschaft erweitert.

Die zentralen Thesen zu Multiplikatoren in einer offenen Volkswirtschaft lauten wie folgt:

  1. Das Preisniveau sowie der Wechselkurs sind fix.
  2. Die Produktion ist nicht voll ausgelastet, eine höhere Nachfrage führt zu einem Produktionsanstieg. In diesem Zusammenhang spricht man auch von einem vollkommenen elastischen Angebot.
  3. Die Geldmenge wird von der Politik an Veränderungen der Geldnachfrage angepasst, sodass der Zins fix wird.

Da ein konstantes Preisniveau unterstellt wird, sind nominales und reales Produktionsniveau identisch. Die dritte These ist von zentraler Bedeutung. Ein steigendes Produktionsniveau führt zu einem Anstieg der Geldnachfrage. Im Falle eines festen Preisniveaus führt dies wiederum zu einem Anstieg des inländischen Zinssatzes. Dadurch kommt der Geldmarkt wieder ins Gleichgewicht. Durch die automatische Anpassung des Geldangebots ergeben sich jedoch keine Zinsänderungen. Die Veränderung der Geldmenge führt nicht zu einer Veränderung der Preise.[1]

Einkommen in der offenen Volkswirtschaft

Den Ausgangspunkt bildet die folgende Gleichung:

Y = C + I + G + EX – IM

Das Gütermarktmodell mit Außenhandel in Anlehnung an Paetz (2019), S. 287.

Analyse nach Keynes

Die Analyse nach Keynes trifft weitere Annahmen zu den verschiedenen Determinanten des gesamtwirtschaftlichen Einkommens bzw. der gesamtwirtschaftlichen Produktion. Die Staatsausgaben und die Exporte werden als exogene Größen (äußere Einflussfaktoren) behandelt. Dies bedeutet, dass die Faktoren außerhalb des Modells festgelegt werden. Beispielsweise werden die Größen der Staatsausgaben durch politische Entscheidungen festgelegt. Bei Exporten sind ausländische Konsumentscheidungen und somit das ausländische Einkommen entscheidend.

Im nächsten Schritt werden Steuern in die Analyse eingefügt. Zur Vereinfachung wird unterstellt, dass die Steuern in einem proportionalen Verhältnis zum Einkommen stehen. t bezeichnet den marginalen Steuersatz.

T = tY

Für den gesamtwirtschaftlichen Konsum wird unterstellt, dass dieser aus einer autonomen und einer einkommensabhängigen Komponente besteht. Der autonome Konsum ist abhängig vom Einkommen und stellt einen Grundbedarf dar. Der einkommensabhängige Konsum hängt vom verfügbaren Einkommen (Y –  tY) ab.

C = Ca + c(1– t)Y

Der autonome Konsum wird als Caund die marginale Konsumquote als c bezeichnet. Letztere gibt an, wie stark sich eine Erhöhung des verfügbaren Einkommens auf die Konsumausgaben auswirkt.

Beispiel zur Konsumfunktion

Eine marginale Konsumquote von 0,8 bedeutet, dass der Haushalt von jedem zusätzlich verdienten Euro 80 Cent für Konsumausgaben ausgibt. Aus der Gleichung ergibt sich, dass der Konsum eine lineare Funktion des verfügbaren Einkommens ist und mit steigendem Einkommen ansteigt.

Bedeutung der Importe

Die Importausgaben sind ebenfalls teilweise autonom und teilweise positiv vom inländischen Einkommen abhängig:

IM = IMa + imY

Ima bezeichnet die autonomen Importausgaben, während im die marginale Importquote darstellt. Umgekehrt zur marginalen Konsumquote gibt im an, welcher Anteil eines zusätzlich verfügbaren Euro für Importe aufgewendet wird. Eine steigende Importnachfrage bei höherem Einkommen kann sich ergeben, weil die Volkswirtschaft zur Produktion benötigte Vorprodukte importieren muss.

Durch Einsetzen der Gleichungen ergibt sich:

Y = Ca + c(1 – t)Y + I + G + EX – IMa – imY

Dies entspricht:

Y = [1 – c(1 – t ) + im] = Ca + I + G + EX – IMa

Durch das Umstellen nach Y ergibt sich:

Für marginale Veränderungen gilt:


Der Term d stehts jeweils für marginale Veränderungen. Wenn sich beispielsweise die Staatsausgaben nicht verändern, nimmt der Ausdruck dG den Wert null an. Basierend auf der letzten Gleichung können nun einige Multiplikatoren für die offene Volkswirtschaft dargestellt werden. Hierbei werden jeweils die Veränderungen einer exogenen Variablen betrachtet.[2]

Der Staatsausgabenmultiplikator in einer offenen Volkswirtschaft

Der Staatsausgabenmultiplikator gibt an, um wie viele Einheiten die gesamtwirtschaftliche Produktion steigt, wenn die Staatsausgaben um eine Einheit steigen.

Ausgehend von der Gleichung

unterstellen wir, dass sich nur die Staatsausgaben verändern:

Formel zur Änderung des Einkommens

Die Gleichung besagt, dass eine Erhöhung der Staatsausgaben auch zum Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Einkommens führt. Dieser Effekt hängt zum einen von der marginalen Konsumquote und zum anderen von dem marginalen Steuersatz sowie der marginalen Importe ab. In anderen Worten: Je höher die marginale Konsumquote ist, desto stärker steigt die Konsumnachfrage infolge eines Einkommensanstiegs. Dagegen verringern Steuern und Importe die inländische Konsumnachfrage, da ein Teil des zusätzlichen Einkommens an den Staat geht bzw. für ausländische Güter aufgewendet wird.

Zahlenbeispiel zum Staatsausgabenmultiplikator

Angenommen, die marginale Konsumquote sei 0,8, die marginale Steuerquote 0,25 und die marginale Importquote beträgt. 0,3. Außerdem wird unterstellt, dass der Staat seine Ausgaben um 100 Millionen Euro erhöht. In diesem Fallbeispiel ergibt sich folgender Multiplikator:

In diesem Fall beträgt der Multiplikator 1,4286, und der Anstieg der Staatsausgaben erhöht die gesamtwirtschaftliche Nachfrage um insgesamt 142,86 Millionen Euro.

Bedeutung der Multiplikatoren

Die Multiplikatoranalyse verdeutlicht, dass keynesianische Einkommenseffekte ein wichtiger Bestandteil der Zahlungsbilanzanalyse sind und zur Ermittlung des Gleichgewichtseinkommens einer offenen Volkswirtschaft dienen. In der offenen Volkswirtschaft gibt es makroökonomische Schwankungen. Das Ausland kann spiegelbildlich zum Inland betrachtet werden. Beispielsweise führt ein Anstieg des ausländischen Einkommens zu einer Erhöhung der ausländischen Importe, diese entsprechen den inländischen Exporten. Hierdurch steigt das Einkommen bzw. die Produktion der inländischen Volkswirtschaft.[3]

Der Effekt der Multiplikatoren bei einer offenen Volkswirtschaft ist im Inland geringer, weil ein Teil der zusätzlichen Nachfrage für Importeaufgewendet wird.[4]

Quellen und Literaturempfehlung zu den Multiplikatoren in der offenen Volkswirtschaft

  • Beckmann, J., Pilbeam, K. (2017). Internationale Wirtschaft: Wechselkurse, Zahlungsbilanz und Weltwährungssystem. Deutschland: Schäffer-Poeschel.
  • Paetz, M. (2019). Makroökonomik für Betriebswirte. Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Universität Hamburg.

[1] Vgl. Beckmann/Pilbeam (2017), S. 59 ff.

[2] Vgl. Beckmann/Pilbeam (2017), S. 59 ff.

[3] Vgl. Beckmann/Pilbeam (2017), S. 62 ff.

[4] Vgl. Paetz (2019), S. 293.