Gleichgewichtseinkommen in der geschlossenen Volkswirtschaft

In der Volkswirtschaftslehre ist das Konzept des Gleichgewichtseinkommens von grundlegender Bedeutung, insbesondere in Bezug auf die Stabilität und das Wohlergehen einer Gesellschaft. Das Gleichgewichtseinkommen in einer geschlossenen Volkswirtschaft beschreibt die Situation, in der die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen gleich der gesamtwirtschaftlichen Produktion ist. Dieser Artikel untersucht ausführlich das Konzept des Gleichgewichtseinkommens, seine Determinanten und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Wirtschaft.

Konzept des Gleichgewichtseinkommens

Das Gleichgewichtseinkommen beschreibt den Punkt, an dem die aggregierte Nachfrage gleich der aggregierten Produktion ist. Wenn die geplante gesamtwirtschaftliche Ausgaben (Konsum, Investitionen, Staatsausgaben) genau dem gesamtwirtschaftlichen Produktionsniveau entsprechen, befindet sich die Volkswirtschaft im Gleichgewichtszustand. In diesem Zustand gibt es keine unerwünschten Bestandsveränderungen, da Angebot und Nachfrage auf dem Gütermarkt genau übereinstimmen.

Beispiel: Angenommen, eine Volkswirtschaft produziert Waren und Dienstleistungen im Wert von 1 Billion Euro pro Jahr. Die Verbraucher, Unternehmen und Regierung geben zusammen ebenfalls 1 Billion Euro aus. In diesem Fall besteht ein Gleichgewicht zwischen der gesamtwirtschaftlichen Produktion und den Ausgaben.

Determinanten des Gleichgewichtseinkommens

Die Bestimmungsfaktoren des Gleichgewichtseinkommens umfassen eine Vielzahl von Variablen, die die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und Produktion beeinflussen.

a. Konsumausgaben (C): Die Konsumausgaben der Haushalte hängen von Faktoren wie dem verfügbaren Einkommen, den Zinssätzen, den Erwartungen der Verbraucher und anderen individuellen Präferenzen ab.

Beispiel: Wenn die Einkommen der Haushalte steigen, steigt auch ihr Konsum, da sie mehr Ressourcen für den Kauf von Gütern und Dienstleistungen haben.

b. Investitionsausgaben (I): Die Investitionsausgaben der Unternehmen werden durch Faktoren wie die Zinssätze, die Unternehmensstimmung, die Technologieentwicklung und die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen beeinflusst.

Beispiel: Niedrigere Zinssätze können die Investitionsaktivitäten der Unternehmen ankurbeln, da die Finanzierungskosten sinken und Investitionen in neue Anlagen und Technologien attraktiver werden.

c. Staatsausgaben (G): Die Ausgaben der Regierung beeinflussen ebenfalls das Gleichgewichtseinkommen. Eine expansive Fiskalpolitik, bei der die Regierung mehr ausgibt als sie einnimmt, kann die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen und somit das Gleichgewichtseinkommen steigern.

Beispiel: Die Regierung beschließt, in die Infrastruktur zu investieren, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Dadurch steigen die Staatsausgaben und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, was zu einem höheren Gleichgewichtseinkommen führt.

Auswirkungen des Gleichgewichtseinkommens

Das Gleichgewichtseinkommen hat weitreichende Auswirkungen auf verschiedene Aspekte der Volkswirtschaft.

a. Arbeitsmarkt: Bei einem Gleichgewichtseinkommen ist die Beschäftigung auf einem optimalen Niveau, da die Produktion die Nachfrage nach Arbeitskräften genau deckt.

Beispiel: Wenn die Gesamtnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen steigt, steigt auch die Produktion, was zu einer erhöhten Beschäftigung führt.

b. Preisniveau: Ein stabiles Gleichgewichtseinkommen kann dazu beitragen, das Preisniveau stabil zu halten, da Angebot und Nachfrage auf dem Gütermarkt ausgeglichen sind.

Beispiel: Wenn die Produktion das Gleichgewichtseinkommen übersteigt und die Nachfrage das Angebot übertrifft, können Preiserhöhungen auftreten, was zu Inflation führen kann.

c. Wirtschaftswachstum: Ein stabiles Gleichgewichtseinkommen fördert langfristiges Wirtschaftswachstum und Wohlstand, da die Ressourcen effizient genutzt werden und eine nachhaltige Entwicklung ermöglicht wird.

Beispiel: Eine Volkswirtschaft, die über einen längeren Zeitraum ein stabiles Gleichgewichtseinkommen aufrechterhält, kann ein kontinuierliches und nachhaltiges Wirtschaftswachstum erleben, das zur Verbesserung des Lebensstandards ihrer Bürger beiträgt.

Somit gilt: Das Gleichgewichtseinkommen in einer geschlossenen Volkswirtschaft ist ein entscheidendes Konzept für das Verständnis der makroökonomischen Dynamik und der Politikgestaltung. Durch ein tiefgehendes Verständnis der Determinanten und Auswirkungen des Gleichgewichtseinkommens können Regierungen und Zentralbanken effektive Maßnahmen zur Förderung von Wachstum und Stabilität ergreifen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung für jeden, der sich mit Volkswirtschaftslehre und makroökonomischer Politik beschäftigt, dieses Konzept zu verstehen und zu analysieren.

Wie kommt das Gleichgewichtseinkommen zustande?

Wir haben also schon gesehen: Auf einem Markt herrscht Gleichgewicht, wenn die zu einem bestimmten Preis geplante Angebotsmenge exakt gleich der zu diesem Preis geplanten Nachfragemenge ist.

Von einem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht kann man allerdings in einer zweifachen Bedeutung sprechen:

  • Erstens kann darunter verstanden werden, dass jedes einzelne Wirtschaftssubjekt seinen Angebots- bzw. Nachfrageplan realisieren kann. Dann liegt ein gesamtwirtschaftliches Mikrogleichgewicht vor. Dieses ist in der Praxis jedoch nicht zu erwarten.
  • Zweitens liegt ein gesamtwirtschaftliches Makrogleichgewicht vor, wenn die in dem Modell betrachteten Aggregate übereinstimmen. Das bedeutet, dass die Summe aller Angebote der Summe der Nachfrage entspricht. Man geht dann davon aus, dass positive und negative Abweichungen zwischen den individuellen Einzelplänen[1] der Wirtschaftssubjekte sich gegenseitig ausgleichen.[2]

Die volkswirtschaftlichen Aggregate zeigen also das Ergebnis der Wirtschaftsaktivitäten einer gesamten Volkswirtschaft – unter bestimmten Gesichtspunkten betrachtet – insbesondere der Produktion, der Wertschöpfung, des verfügbaren Einkommens, des Konsums, des Sparens oder der Investitionen.[3]

In den Einzelplänen (kurz: EPl.) sind die Haushaltsmittel (Einnahmen, Ausgaben, Verpflichtungsermächtigungen, Planstellen und Stellen) des Haushaltsplans veranschlagt.

Also befindet sich der gesamtwirtschaftliche Gütermarkt im Gleichgewicht, wenn geplantes Angebot (Y = Volkseinkommen) und geplante Nachfrage als Summe aus Konsum- und Investitionstätigkeit (N = C + I) übereinstimmen.[4]

Wir drücken dies überlichweise über die folgende Gleichung aus:

Y = C + I

Beispiel zur Berechnung des Gesamteinkommens

Die Konsumgüternachfrage wird durch die Konsumfunktion (als lineare Funktion in Abhängigkeit vom Volkseinkommen Y) erfasst:[5]

C = c0 + c1Y

zum Beispiel: C = 100 + 0,8Y, also:

C = c0 + c1Y = 100 + 0,8Y

Vereinfacht wird unterstellt, dass die Investitionen autonom von Einkommen anfallen, also unabhängig von Y sind:

I = I0 = 90

Die Gleichung zur Bestimmung des Gleichgewichtseinkommens Y0 lässt sich dann wie folgt ableiten:

Für das Zahlenbeispiel gilt:

Folglich bestimmen das Angebot und die Nachfrage das Gleichgewichtseinkommen.

Angebot und Nachfrage bestimmen das Gleichgewichtseinkommen

Quelle: Hewel/Neubäumer (2017), S. 251.

Grafische Darstellung des Gleichgewichtseinkommens

Grafisch ergibt sich das Gleichgewichtseinkommen aus dem Schnittpunkt von Sparfunktion und Investitionsfunktion. Hier stimmen geplante Ersparnisse und geplante Investitionen überein, d. h., sie sind bereits ex ante gleich.[6]

Bestimmung des Gleichgewichtseinkommens

Quelle: in Anlehnung an Hewel/Neubäumer (2017), S. 247

Wann spricht man von einem wirtschaftlichen Gleichgewicht?

Beginnt man mit der Verwendungsgleichung, so kann man das gesamtwirtschaftliche Einkommen Y berechnen, indem man die Gleichung nach Y auflöst:

Gesamtwirtschaftliches Einkommen

Y = gesamtwirtschaftliches Einkommen (BIP)

C0 = autonomer Konsum (unabhängig von gesamtwirtschaftlichen Einkommen)

I = Investition (abhängig vom Zinssatz r)

G = Staatsverbrauch

s = Sparquote

Die Investitionen sind hierbei abhängig vom Zinssatz r. Wenn der Zinssatz niedriger ist, ist es günstiger, neue Kredite aufzunehmen, um Investitionen zu tätigen. Daher wird bei einem hohen Zinssatz weniger investiert als bei einem niedrigen. Diesen Wert von Y bezeichnet man als Gleichgewichtseinkommen.[7]

Abbildung 4: Bestimmung des Gleichgewichtseinkommens

Grafische Bestimmung der Gleichgewichtseinkommens

Quelle: Perret/Welfens (2019), S. 230.

Herleitung:

Das Basismodell von Keynes zum Gleichgewicht in einer geschlossenen Volkswirtschaft

Für eine geschlossene Volkswirtschaft lautet die Verwendungsgleichung des Sozialprodukts, d.h. das gesamte Volkseinkommen Y wird für den Konsum C, die Investitionstätigkeit I und die Staatsausgaben G verwendet.

Y= C + I + G

Was stellt aus ökonomischer Sicht die Bedingung für ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht (Steuerzahlungen abgesehen) dar?

Wenn die Haushalte Einkommen in Höhe von Y erhalten, aber eine Ersparnis in Höhe von S vornehmen, dann muss der entstandene Nachfrageausfall durch die Summe von Staatsnachfrage G und unternehmerischer Investitionsnachfrage I kompensiert werden. Genau bei dieser Konstellation ergibt sich ein Gleichgewicht auf dem gesamtwirtschaftlichen Gütermarkt. Durch Einsetzen der (typischerweise linearen) Konsumfunktion in die obige Gleichung ergibt:

Y = Co + cY + I + G

-Co + Y(1-c) = I + G mit der Sparquote s=1-c, so dass sich auch ergibt:

-Co + sY = I + G

Für die Sparfunktion S(Y) gilt somit: S(Y):= -Co + sY = I + G

Der Schnittpunkt der Sparfunktion mit der [I+G]-Geraden bestimmt das Gleichgewichtseinkommen.[8]

Gleichgewichtseinkommen im Keynes Modell

Quelle: Welfens (2008), S. 263.

Quellen und Literaturempfehlung zum Gleichgewichtseinkommen

  • Perret, J. K.; Welfens, P. J. J. (2019), Arbeitsbuch Makroökonomik und Wirtschaftspolitik Grundlagen – Aufgaben – Lösungen, 2. Auflage, Berlin: Springer-Gabler.
  • Welfens, P. J. J. (2008). Grundlagen der Wirtschaftspolitik. Berlin: Springer-Verlag.
  • Hewel, B., Neubäumer, R. (2017). Der Gütermarkt in: Lenk, T. (Hrsg.) Volkswirtschaftslehre. Grundlagen der Volkswirtschaftstheorie und Volkswirtschaftspolitik. 6. Aufl., Wiesbaden: Gabler-Verlag.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Einzelplan

[2] Hewel/Neubäumer (2017), S. 245 f.

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Aggregation_(Wirtschaft)

[4] Hewel/Neubäumer (2017), S. 245 f.

[5] Hewel/Neubäumer (2017), S. 230.

[6] Hewel/Neubäumer (2017), S. 248.

[7] Perret/Welfens (2019), S. 230.

[8] Welfens (2008), S. 262.