Konjunkturphasen

Konjunkturphasen kennzeichnen eine jede Konjunktur, welche die gesamtwirtschaftliche Lage einer Nation wie Deutschland beschreibt. Der allgemein bekannteste und wichtigste Indikator, um die aktuelle Konjunkturphase zu ermitteln, ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und dessen Entwicklung der letzten Jahre. Am Beispiel Deutschlands erkennt man in der nachstehenden Abbildung, dass das Bruttoinlandsprodukt in den letzten 50 Jahren kontinuierlich – aber zuletzt stark verlangsamt – angestiegen ist.

Bruttoinlandsprodukt in Deutschland von 1970 bis 2020

Der Anstieg erfolgt also nicht gleichmäßig, sondern in Wellen und unterliegt gewissen Schwankungen. Beispielsweise stieg das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands von 1970 bis 1980 kontinuierlich an und erreichte im Jahre 1980 sein vorläufiges Hoch bei 950 Mrd. US$. Anschließend erfolgte in den darauffolgenden 5 Jahren ein vorübergehender Rückgang bis auf 732 Mrd. US$, ehe das Bruttoinlandsprodukt wieder bis 1995 stark anstieg und ein Hoch von 2.585 Mrd. US$ erreichte. 

Entwicklung des BIP in Deutschland

Betrachtet man die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes von Deutschland in den letzten 50 Jahren etwas genauer, so erkennt man hierbei ein Muster, das sich stetig wiederholt. Alles beginnt mit einem leichten Anstieg des BIP (Aufschwung), gefolgt von einem längeren Anstieg des Bruttoinlandsproduktes bis zu seinem vorläufigen Höhepunkt (Boom) und einem anschließenden Rückgang (Abschwung) des BIP, der in einem Tiefpunkt (Rezession oder Depression) endet.

Bruttoinlandsprodukt Deutschland mit Konjunkturphasen

In den letzten 50 Jahren gab es in Deutschland drei solcher Zyklen. Man spricht hierbei von den sogenannten Konjunkturzyklen, die sich aus den vier eben genannten Konjunkturphasen zusammensetzen:

  • Aufschwung
  • Boom
  • Abschwung
  • Rezession (bzw. Depression)

Der Verläufe nahezu aller Bruttoinlandsprodukte der unterschiedlichsten Staaten unterliegen solchen Konjunkturzyklen und ihren Konjunkturphasen. Im Allgemeinen werden sie volkswirtschaftlich mittels der Konjunkturtheorie beschrieben.

Die Konjunkturzyklen basieren meistens auf neuen Erfindungen, die die Wirtschaft revolutionieren und Euphorie auslösen.  Die Dauer der Zyklen hängt davon ab, wie lange das durch diese neuen Erfindungen ausgelöste Wirtschaftswachstum anhält. Die Zyklen können hierbei nach der Länge ihrer Dauer in drei verschiedene Arten eingeteilt werden:

  • Kitchen (3-4 Jahre), z. B. Aufbau des Internets
  • Juglar (7-10 Jahre)
  • Kondratieff (50-60 Jahre): z. B. Erfindung und Realisation der Eisenbahn

Konjunkturphasen im Überblick

Die einzelnen Konjunkturphasen lassen sich durch unterschiedliche Merkmale klar voneinander trennen und haben verschiedene Auswirkungen auf die Volkswirtschaft.

Aufschwung

Der Aufschwung beschreibt die erste Phase eines jeden Konjunkturzyklus. Er ist geprägt durch eine steigende Anzahl an Aufträgen für die Unternehmen und somit auch voller werdenden Auftragsbüchern der produzierenden Betriebe. Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Gütern stellen die Betriebe mehr Menschen ein und die Arbeitslosigkeit geht spürbar zurück.

In Phasen des Aufschwungs sind die Prognosen der Wirtschaftsexperten für das zukünftige Wirtschaftswachstum meistens sehr optimistisch, weshalb Betriebe hierbei dazu neigen, höhere Risiken einzugehen und beispielsweise mehr Geld in neue Maschinen oder in den Bau neuer Fabriken zu investieren. Die Investitionsvolumen einer Volkswirtschaft steigen also.

Ein weiteres Merkmal des Aufschwungs sind niedrige Zinsen. Wie hoch die Zinsen sind, wird dabei über den Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB)  vorgegeben. Dadurch müssen Unternehmen weniger Geld bezahlen, wenn sie sich beispielsweise Geld von einer Bank leihen wollen.

Beispiel zur Wirkung von Zinsen

Bei einem Zinssatz von 5% pro Jahr muss ein Unternehmen 5.000 € (100.000 € * 5% = 5.000 €) Zinsen im Jahr an eine Bank zahlen, wenn es sich 100.000 € leihen will. Sinkt der Zinssatz jetzt auf 1% pro Jahr, so muss das Unternehmen nur noch 1.000 € (100.000 € * 1% = 1.000 €) Zinsen im Jahr bezahlen und spart somit, bei einem Rückgang der Zinsen von 5% auf 1% pro Jahr, 4.000 € pro Jahr, die wiederum für andere Investitionen genutzt werden können.

Die steigende Nachfrage in der Konjunkturphase des Aufschwungs ist zum einen durch die bereits angesprochenen höheren Investitionen begründet. Zum anderen haben die Einwohner eines Landes auch durch die niedrigeren Arbeitslosenzahlen mehr Geld für den Konsum zur Verfügung und sind, ebenfalls wie die Unternehmen, aufgrund ihrer optimistischen Haltung dazu bereit, mehr Geld auszugeben. Der Konsum der privaten Haushalte steigt also ebenso wie der der Unternehmen auch an.

Boom (Hochphase)

Die Tendenzen bzw. Merkmale des Aufschwungs werden in der Phase des Booms noch weiter verstärkt und erreichen hier ihren Höhepunkt. Die Kapazitäten der Wirtschaft sind voll ausgelastet und es herrscht weitestgehend Vollbeschäftigung, was bedeutet, dass die Zahl der offenen Arbeitsplätze mit der Zahl der Menschen, die einen Arbeitsplatz suchen, übereinstimmt.

Phasen des Booms sind zudem gekennzeichnet durch eine hohe Inflation, also einen deutlichen Anstieg der Preise. Dies liegt an der steigenden Nachfrage nach Gütern, die in dieser Phase ihren Höhepunkt erreicht.

Beispiel zur Hochphase

In einer Stadt leben 5 Personen, die jeweils genau einen Apfel benötigen. Der Obsthändler in der Stadt hat genau 5 Äpfel, die er verkaufen kann. Er verlangt für jeden Apfel einen Euro. Die Nachfrage in der Stadt beträgt also 5 Äpfel, und das Angebot in der Stadt beträgt ebenfalls genau 5 Äpfel. Angebot und Nachfrage sind also ausgeglichen. Jede Person wird einen Euro bezahlen und einen Apfel kaufen.

Bietet der Obsthändler jetzt statt den 5 Äpfeln nur 4 Äpfel an, so ist die Nachfrage jetzt höher als das Angebot, was zur Folge hat, dass die 5 Personen dazu bereit sind, mehr als einen Euro pro Apfel zu bezahlen, um ihr Bedürfnis nach Äpfeln trotz der höheren Nachfrage befriedigen zu können. Der Obsthändler nutzt diese Situation aus, und der Preis für Äpfel steigt in der Folge an. Die Inflation wird zudem dadurch verstärkt, dass Unternehmen, die durch die höheren Investitionen entstehenden Kosten an ihre Kunden weitergeben.

Abschwung

Der Abschwung ist im Allgemeinen durch das vorläufige Ende des Wirtschaftswachstums gekennzeichnet. Die Nachfrage in nahezu allen Bereichen geht zurück oder bleibt gleich. Unternehmen haben immer mehr Probleme, ihre Produkte zu verkaufen, und es lassen sich immer häufiger Fehlinvestitionen beobachten. Für Unternehmen entstehen aufgrund der Fehlinvestitionen finanzielle Schwierigkeiten, und sie müssen Arbeitnehmer entlassen. Verstärkt werden diese Effekte durch immer höhere Lagerbestände, weil Waren aufgrund des Überangebots nicht mehr verkauft werden können. Infolgedessen reduzieren die Unternehmen ihre Produktionsmengen, und die Arbeitslosigkeit steigt an, wodurch auch der Konsum der privaten Haushalte zurückgeht.

Da die Wirtschaftsprognosen ebenfalls pessimistischer werden und die Unternehmen in solchen Zeiten eher darauf bedacht sind zu überleben, statt zu wachsen, gehen viele Unternehmen in einen Sparmodus über und reduzieren auch ihre Investitionen deutlich, um in dieser Konjunkturphase bestehen zu können. Im Regelfall fallen hierbei auch die Löhne und Gehälter.

Rezession

Den Höhepunkt dieses Abschwungs stellt die Rezession dar. Von einer Rezession wird ab dem Zeitpunkt gesprochen, ab dem das BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen sinkt, das Land also ein negatives Wirtschaftswachstum aufweist.

Die Rezession ist gekennzeichnet durch fallende Aktienkurse oder sogar Crashs an der Börse und eine wachsende Zahl an  Unternehmensinsolvenzen. Die Arbeitslosigkeit erreicht ihren Höhepunkt, während der Konsum privater Haushalte und die Investitionen der Unternehmen ihren Tiefpunkt erreichen. Die Zentralbanken versuchen in dieser Konjunkturphase durch eine expansive Geldpolitik, also eine Erhöhung der Geldmenge, sowie einem Absenken des Zinsniveaus den negativen Auswirkungen entgegenzuwirken. Die Rezession ist also letztlich genau das Gegenteil des Booms.

Depression

Die Steigerung der Rezession ist die Depression. Von einer Depression wird gesprochen, wenn eine sehr lang anhaltende oder sehr schwere Rezession mit vielen aufeinanderfolgenden Quartalen mit einem sinkenden BIP zu beobachten ist.

Ein Beispiel für eine Depression ist die große Depression, die am 24. Oktober 1929 mit dem Crash der Börsenkurse in den USA begann und die gesamten 1930er Jahre dominierte. Auch die Weimarer Republik war von den Auswirkungen der Depression betroffen, die ebenfalls als eine der Ursachen für den 2. Weltkrieg gesehen.

Rezessionen oder Depressionen werden anschließend wieder von einem Aufschwung abgelöst und der Zyklus beginnt von vorne.

Aktuelle Konjunkturphase 2022

Die aktuelle Konjunkturphase 2022 in Deutschland ist schwierig einzuschätzen. Einerseits sind die Aktienkurse an den Börsen hoch, die Arbeitslosigkeit ist unauffällig und die Zahl der Insolvenzen hält sich trotz der Pandemie in Grenzen. Dies spricht eigentlich für eine stabile konjunkturelle Entwicklung.

Allerdings mehren sich die Anzeichen für eine starke Rezession. Viele an sich positive Entwicklungen der letzten Jahre sind darauf zurückzuführen, dass die Europäische Zentralbank mit ihrer Niedrigzinspolitik viel Geld in die Märkte gepumpt hat und dabei auch weit mehr Geld gedruckt hat, als dem aktuellen Wirtschaftswachstum angemessen ist.

Nehmen wir einmal an, in einer (geschlossenen) Volkswirtschaft wird ein einziges Brot hergestellt, und es stehen in der gesamten Volkswirtschaft nur 3 Euro zur Verfügung. Wenig überraschend wird das Brot einen Preis von 3 Euro haben. Wenn in dieser Volkswirtschaft die Geldmenge auf 6 Euro erhöht wird, ohne dass ein zweites Brot produziert wird, steigt der Preis für das Brot um 100% auf 6 Euro. Die hohe Geldmenge verursacht dann eine hohe Inflation.

Anzeichen für eine solche Entwicklung sind derzeit zu beobachten, denn die über einen Warenkorb gemessene Inflationsrate ist innerhalb eines Jahres in Deutschland von unter 2 auf über 5 Prozent angestiegen. Weil die Entwicklung der Löhne und Gehälter der Inflationsrate aber unterlegen ist, sinkt die Kaufkraft der Menschen und die Nachfrage nach Gütern geht zurück. Mithin kommt es zu einer Rezession.


Quellenhinweise zum Text zu den Konjunkturphasen

Der Text zu den Konjunkturphasen wurde maßgeblich von Frederic Scholtes gestaltet, den Sie über sein LinkedIn-Profil erreichen können.